Im Goetheinstitut
Rüdiger Bolz ist der Institutsdirektor des Goethe-Institutes in Athen. Mit ihm treffen wir
uns gleich am Morgen in einem kleinen Seminarraum. Das Institut wurde 1952 gegründet. Es ist das älteste und auch größte Goethe-Institut.
Die Größe und damit der Hohe Bedarf an Deutschlehrern erklären sich aus der Tatsache, dass die hier angebotenen Sprachkurse Teil des griechischen Bildungssystems sind. Es gibt kein griechisches Institut, dass Diplome für deutsche Sprachkenntnisse vergeben darf. Das darf nur man nur hier. Rüdiger Bolz zeigt uns einen Ausschnitt aus dem Film „Ein Lied für Agyris“: Ein grauhaariger Mann erzählt in dem Film über seine Erinnerungen an das Massaker in Distomo 1944. Dieser Mann, Agyris, war damals dreieinhalb Jahre alt und hat immer noch die schrecklichen Bilder vom Tod seines Vaters und seiner Mutter im Kopf. Insgesamt hat er an diesem einen Tag 30 Familienangehörige verloren. Er ist als Waisenkind in der Schweiz aufgewachsen und ist eine der Hauptpersonen im Kampf um Schmerzensgeld für die Hinterbliebenen. Der Film des Schweizer
Regisseurs Stefan Haupt wurde zuerst im Goethe-Institut im Beisein des griechischen Staatspräsidenten gezeigt. Viele Menschen kamen, um diesen Film zu sehen. In Deutschland, so Rüdiger Bolz,
wurde der Film noch von keinem Sender gezeigt. Dem Institutsleiter fällt es sichtlich schwer, die Position der Bundesregierung bezüglich der Entschädigungszahlungen zu erklären. Er sei
kein Jurist, betont er immer wieder. Ihm gehe es darum, Menschen zusammenzubringen und die moralische Last abzutragen. Es gibt vielfältige Kulturveranstaltungen und Begegnungen mit Künstlern aus Deutschland. Doch viele Projektwünsche würden nicht realisiert, weil das Geld fehle. Das wirft bei vielen Teilnehmern Fragen auf. Wenn die juristischen Probleme so komplex wie behauptet sind, warum versucht man nicht, ein Zeichen der Versöhnung zu setzen. Tobias will wissen, warum man
nicht die deutsche Wirtschaft bittet, solche Projekte zu unterstützen. Bolz Antworten darauf zeigen, dass er Verständnis für unsere Fragen hat, doch sein Gesichtsausdruck ist gequält, seine Antworten
sind unbestimmt. Er würde wohl gern offensiver handeln, doch die politischen Umstände sind nicht so.
In der Botschaft
Botschafter Schultheiss ist Jurist und Diplomat. Er empfängt uns persönlich. Er freut sich, dass sich deutsche Jugendliche für das Thema interessieren. Er erklärt die juristischen Zusammenhänge und kommt zu dem Schluss, dass es keinen Anspruch auf Schmerzensgeld oder Entschädigung für griechische Opfer der SS und der Wehrmacht gibt. Dies hätten auch Gerichte in Griechenland, Deutschland und der EU bestätigt. Eine Ausnahme ist ein italienisches Gericht, das den Opfern Recht
gegeben hat. Nach Ansicht italienischer Richter dürfen die Opfer Eigentum der Bundesrepublik Deutschland in Italien pfänden lassen. Nach der ausführlichen Darstellung der juristischen Zusammenhänge kommen wir zum eigentlichen Punkt: Deutschland könnte die Forderungen gar nicht begleichen. Es wäre einfach zu teuer. Denn es ginge ja nicht nur um die 50 Mio. €, die die Opfer von Distomo fordern, sondern man fürchtet dann eine Folge von Klagen. Kosten von bis zu 7 Mrd. € könnten auf diese Art schnell entstehen, meint der Botschafter. Der Gesandte Foix de la Croix springt
seinem Botschafter zur Seite. Er fragt die Jugendlichen, ob sie bereit wären, über 7 Mrd. € aufzubringen? Das würde Kürzungen des ALG II oder der Entwicklungshilfe bedeuten. Diese etwas schlichte Argumentation stößt auf den Protest der Jugendlichen. Finn meint, dass man ja nicht unbedingt bei der Entwicklungshilfe sparen müsse, vielleicht könne die Wirtschaft, die an dem Überfall Griechenlands
verdient hatte, zur Finanzierung herangezogen werden. Der Botschafter ist von der Heftigkeit der Argumente der Jugendlichen etwas verschreckt. Es geht vielleicht nicht ganz so diplomatisch zu, wie es in seinem Botschafteralltag üblich ist.
Nachtrag vom 28.10.2008: Er kann eigentlich froh sein, dass er die Jugendlichen am Anfang und nicht am Ende der Reise getroffen hat. Nach all den grausamen Geschichten, die wir während der Reise erfahren haben, wäre das Gespräch wohl noch emotionaler ausgefallen.
In Distomo
Im Ort Distomo erwarten uns der Bürgermeister und einige Stadträte der Gemeinde. In dem kleinen Rathaus haben sich aber außer uns auch interessierte Bürger versammelt. Gesine versichert den Anwesenden, dass wir die Entschädigungsforderungen der Bürger von Distomo unterstützen. Wir haben auch Anfragen der LINKEN an die Bundesregierung und deren Antworten ins Griechische übersetzen lassen und dem Bürgermeister überreicht. Obwohl er zur konservativen Regierungspartei gehört, unterstützt er die Forderungen nach Entschädigung der Opfer. Im Nationalrat für die Entschädigungsforderungen Griechenland gegenüber Deutschlands sind Vertreter aller Parteien. D.h. aber nicht, dass alle Parteien die Forderungen mit dem gleichen Nachdruck vertreten.
Gleich neben dem Rathaus steht ein neu eingerichtetes Museum. Es besteht aus einem Vor- und einem Hauptraum. Im letzteren hängen Alltagsbilder der Menschen, die von der SS ermordet wurden. Die Bilder sind sehr berührend. Man kann es sich eigentlich nicht vorstellen, dass Menschen unschuldige Kinder, ja sogar Babys ermordet haben. Im Vorraum hängen drei Bilder von SS-Männern, die für das
Massaker verantwortlich waren. Einer von ihnen ist wohl in Russland gefallen. Über die anderen Täter gab es keine Informationen. Dominik bedauerte, dass es nur so wenige Informationen gab. Doch vielleicht führt auch die Bezeichnung “Museum“ in die Irre. Es ist mehr ein Gedenkhaus.
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