Sonntag

 Athen - Akropolis

Winterzeit. Die Uhren wurden heute Nacht eine Stunde zurück gestellt. Wir können etwas länger schlafen. Um 9.00 Uhr fahren wir mit dem Bus zur Akropolis. Ich will nicht erzählen, was sowieso in jedem Reiseführer steht. Erwähnenswert ist eine kleine Tafel in der Nähe des Fahnenmastes, an dem die griechische Flagge weht. Diese Fahne kann man von der Stadt sehr gut sehen. Sie wurde 1982 angebracht. Auf Griechisch wird auf der Tafel von der mutigen Aktion von Manolis Glezos berichtet

Die meisten Touristen können leider diese Tafel nicht lesen. David fragt mich, warum es diese

Tafel nicht auch auf Englisch gibt. Ich kann es ihm nicht sagen, vermute aber, dass die griechische Regierung nur mit Widerwillen diese Tafel genehmigt hatte. Am Abend mache ich Damon den Vorschlag, in Deutschland Geld zu sammeln, um eine englisch- oder deutschsprachige Tafel zu finanzieren. Er fand die Idee gut.

 

Kaisariani

Am Nachmittag besuchen wir einen alten Schießplatz im Stadtteil Kaisariani. Der Bezirksbürgermeister, Sakas Spyros, erzählt uns die Geschichte dieses Ortes. Insgesamt hat die Wehrmacht 1000 Widerstandskämpfer dort hingerichtet. Ein Arzt, der die deutsche Sprache beherrschte, war unter einer Gruppe von 40 Gefangenen, die erschossen werden sollten. Der Kommandeur wollte den Arzt aus der Gruppe herausholen, weil er ihn kannte und als Dolmetscher schätze. Doch der Arzt war nur bereit, die Erschießungsgruppe zu verlassen, wenn kein anderer Gefangener ihn ersetzen würde. Dazu war der Kommandeur nicht bereit. Der Arzt ließ sich mit den anderen 39 Gefangenen erschießen.

 

Nikaia (Kokkinia)

Am Abend treffen wir den Bezirksbürgermeister Benetatos von Nikaia und einige Widerstandskämpfer in einem kleinen Museum. Dieser Stadtteil gehört auch zu dem Verbund der Märtyrer-Städte. Der Bürgermeister ist Mitglied der KKE, der Kommunistischen Partei Griechenlands. Dieser Ortsteil Athens heißt auch Kokkinia (rot). Dort wurden 1945 noch Hunderte Männer von der Wehrmacht erschossen, darunter auch 20 deutsche Widerstandskämpfer. Wer erschossen werden sollte, entschieden griechische Kollaborateure. Die Frage von Adriano, wie die Griechen nach dem Krieg mit den Verrätern umgegangen sind, führt zu einer längeren, offensichtlich kontroversen Diskussion unter den griechischen Widerstandskämpfern. Diese Frage scheint auch 60 Jahre nach dem Krieg noch nicht ausdiskutiert. Der Widerstand war gut organisiert. 1,5 Mio. Griechen - von damals 7,5 Mio. Einwohnern - beteiligten sich an dem Kampf gegen die Okkupanten. Der Widerstand war nicht nur in den Bergen gut organisiert, sondern auch in den Städten und Dörfern. Bei allen Gesprächen mit Zeitzeugen ist es auffällig, dass sie ohne Hass über die Deutschen sprechen. Doch immer wieder wird mit Stolz auf die gerechten Forderungen der Griechen gegen Deutschland verwiesen. Man will nicht betteln, man will Gerechtigkeit, hören wir immer wieder.

 

Der Bürgermeister schlägt vor, eine Ausstellung zum 90. Jahrestag der KKE zu besuchen, was wir dann auch gleich tun. Ich fragte Damon, wie das Verhältnis der Parteien zur KKE sei. Damon hat eine sehr kritische Sicht auf die KKE, betont aber, dass alle Parteien respektvoll mit der KKE umgehen, hatte sie doch den Kampf gegen die Besatzer organisiert und die meisten Opfer im Krieg und unter der Militärdiktatur gebracht. Er selbst gehört der DIKKI an, einer Abspaltung der PASOK. Damon hatte in den 70er Jahren die PASOK verlassen, als sie begann, eine neoliberale Politik zu betreiben.

 

Beim Abendbrot spreche ich mit Nina Kasimati über die aktuelle Politik in Griechenland. Sie ist Mitglied der PASOK. Ich will wissen, ob die aus der Türkei vertriebenen Griechen - es waren immerhin 25% der Bevölkerung, die nach dem griechisch-türkischen Krieg ihr Land verlassen mussten - organisiert sind, so wie wir es von den Vertriebenen aus Deutschland kennen. Es gäbe nichts Vergleichbares in Griechenland, sagt Nina. Sie ist im nationalen Konzil der PASOK für die Auslandsgriechen zuständig. Sie erzählt mir, dass die Griechen in Deutschland Oskar Lafontaine lieben. Wenn er auf Veranstaltungen der Griechen in Deutschland auftrat, war immer ein volles Haus gesichert.

 

Damon bringt einen Trinkspruch aus. Er liebt Trinksprüche. Er sagt, dass der kommunistische Bürgermeister und die anwesenden PASOK-Mitglieder seine Freunde seien, auch wenn sie in anderen Parteien sind und in vielen Fragen ganz unterschiedlicher Auffassung sind. Ich glaube ihm das. Er diskutiert gern. Er hat sehr klare politische Vorstellungen. Er hat seine Ansichten in mehreren Büchern dargelegt. Trotzdem ist er nicht rechthaberisch oder gönnerhaft gegenüber anderen. Er geht immer sehr respektvoll mit Menschen um. Das schätzen auch unsere Jugendlichen an ihm.

 

Kurz vor Mitternacht, das offizielle Programm ist zu Ende, wollen Gesine, Damon, Tinko und ich noch einen Absacker trinken. Damon führt uns zur Plaka, dem Stadtteil, in dem gefeiert, getanzt, gegessen und getrunken wird. Die Taverne ist überfüllt. Wir bekommen aber noch einen Tisch, weil Damon die Chefin der Taverne kennt. Wir trinken Wein und lauschen den getragenen griechischen Liedern.

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0