Mit elf jugendlichen Gewinnern des Antifa-Wettbewerbs „Zivilcourage vereint“ war Gesine Lötzsch im Juni dieses Jahres eine Woche auf den Spuren des Antifaschismus in Österreich unterwegs. Die jungen Menschen hatten einen Film gedreht, einen Rap-Song komponiert, ein Gedicht geschrieben, Theater
gespielt und sich auf unterschiedliche Weise mit Rassismus, Neonazismus und Antisemitismus auseinandergesetzt. Wir prämierten ihre Wettbewerbsbeiträge mit dieser Fahrt.
Wie bei jeder der bisher veranstalteten Jugendreisen – es war die fünfte dieser Art - suchten wir eine Mischung aus Gedenken und Unterhaltung. Dank der Unterstützung Ludwig Einickes vom Mauthausenkomitee hatten wir ein straffes Programm zusammengestellt. Die Gedenkstätte des KZ Mauthausen, die Euthanasiegedenkstätte Hartheim, das Nebenlager Ebensee, ein eindrucksvolles Treffen mit der Zeitzeugin Anna Hackl, der Besuch des Jüdischen Museums und des Dokumentationszentrums des Österreichischen Widerstandes (DÖW) in Wien standen ebenso auf unserem Plan wie eine Stadtführung in Linz und eine Bootsfahrt auf dem Traunsee.
Wir alle wissen, wie schwer es ist, Jugendliche für unsere Sache zu gewinnen. Umso größer war unsere Freude als wir sahen, wie dankbar die Jugendlichen für dieses Reiseerlebnis waren, wie kollegial sie miteinander umgingen (trotz der großen Altersunterschiede) und wie ernst es ihnen mit dem Antifaschismus ist.
Einstimmig war die Antwort auf unsere Frage, was ihnen am meisten gefallen hat: der Besuch bei Anna Hackl. Ihre Mutter hatte 1945 drei Monate lang zwei sowjetische Flüchtlinge des KZ-Mauthausen in ihrem Haus vor den Nazis versteckt und ihnen damit – das Leben der eigenen Familie riskierend - das ihre gerettet. Die beiden gehörten durch diese Tat zu einer Handvoll Überlebender der sogenannten „Mühlviertler Hasenjagd“. 500 zum Tode verurteilte sowjetische Soldaten – fast alle Offiziere – unternahmen am 2.2.1945 einen Ausbruchsversuch aus dem KZ-Mauthausen. Auf die Flüchtenden, die nicht sogleich Opfer der Maschinengewehrsalven wurden, begann eine drei Wochen dauernde Treibjagd, an der sich die SS, Angehörige des Volkssturms, der Feuerwehr, der Gendarmerie, der Wehrmacht, der SA und der HJ sowie Teile der Bevölkerung beteiligten.
Die jungen Menschen lauschten gebannt den plastischen Schilderungen Anna Hackls: Wie sie als 14jährige ihren Teil zum Gelingen der Rettungsaktion beigetragen hatte, wie die ganze Familie tagtäglich Gefahr lief, entdeckt zu werden und wie die Kettenhunde der SS die beiden Flüchtlinge aus unerfindlichen Gründen im Heu des Dachbodens nicht ausmachen konnten. Ihr Vortrag klang alles andere als routiniert und einstudiert, obgleich sie ihn wohl schon hunderte Male gehalten hatte. Noch kurz vor Mitternacht saßen wir in Anna Hackls guter Stube. Zwischen ihren Sätzen war nichts als das Ticken der Kuckucksuhr zu hören. Und hätte es sie nicht gegeben, wären wir uns wohl nie bewusst geworden wie vorgerückt die Stunde und daher angemessen der Abschied von Anna Hackl war.
Die Gedenkstättenreise war ein voller Erfolg. Wir haben die Jugendlichen für den Antifaschismus einnehmen können und hoffen nun, dass sie uns und unserer Sache gewogen bleiben. Wir werden das Unsrige dafür tun.
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