Nach der ersten Nacht im Hostel ging unser Programm Dienstag richtig los. In Begleitung des Historikers Milan Radanović besuchten wir das ehemalige Konzentrationslager Staro Sajmište (Alte Messe). Wo man eine Gedenkstätte vermutete, war keine. Der Weg zum letzten noch vorhandenen Gebäude führte an einem Parkplatz und Wohnhäusern vorbei. Keine Tafel, kein Eingangstor, kein Hinweis darauf, dass hier das Gelände des Konzentrationslagers anfängt oder endet. Milan erzählte, dass das Gelände der alten Messe nach dem Krieg zerstört wurde und Wohnhäuser darauf gebaut wurden. Pläne für eine Gedenkstätte gibt es heute, aber gebaut werden kann bisher nicht. Eine kleine Gedenktafel von 1984 erinnert an den Ort. Ein Ort der Erinnerns ist es aber bisher nicht geworden. Dabei liegt Staro Sajmište mitten in Belgrad. Hier wurden 1000 Jüd_innen, Sinti und Roma ermordet. Mit einem Gaswagen wurden Personen abtransportiert und auf dem Weg durch die Stadt vergast. Ein interaktive Karte zeigt, wie das KZ damals ausgesehen hat und erzählt über die Schicksale. Es gibt ein zweites, sehr großes Denkmal, welches an die Alte Messe erinnern soll. Dabei liegt dieses Mahnmal nicht mehr auf dem ehemaligen Gelände, sondern am Fluss. Gebaut wurde es 1995. Der Text bezieht sich auch auf andere Verbrechen und Opferzahlen des Nationalsozialismus im ehemaligen Jugoslawien und nicht explizit auf das vor uns Liegende.
Im Anschluss besuchten wir die Deutsche Botschaft in Belgrad, um mit Alexander Jung (stellv. Botschafter) sowohl über vergangene aber auch aktuelle Geschehnisse zu sprechen. Serbien ist derzeit ein Land, durch das viele Flüchtlinge reisen, um in die EU oder nach Deutschland zu kommen. Die Situation ist eine schwierige, da Ungarn eine Zaun an der Grenze zu Serbien gebaut und somit die Einreise nach Ungarn erschwert. Noch ist es warm, noch können hunderte Menschen in Zelten oder unter Bäumen übernachten. Doch bald wird es kälter und derzeit zeichnet sich keine Lösung innerhalb der EU ab. 72 Stunden dürfen sich Flüchtlinge legal in Serbien aufhalten - zur Durchreise, mehr nicht. Am Bahnhof in Belgrad sammeln sie sich und warten auf eine Gelegenheit weiterfahren zu können. Im Vergleich zum LAGESO in Berlin wirkt die Situation stabil. Es gibt Ausgabestationen für Hilfsgüter, Dixitoiletten, einen Brunnen und Mülleimer. Von rassistischen Übergriffen ist bisher nichts zu hören. Viele Serben kennen den Krieg noch zu gut und wissen, wie es ist zu fliehen, aufgenommen zu werden. Für mich ist es erschreckend und beruhigend zu gleich, zu wissen, dass brennende Flüchtlingsunterkünfte ein deutsches Problem zu sein scheinen. Einige kritisieren den Zaunbau Orbans, andere schweigen dazu. Es hält Geflüchtete aber nicht davon ab weiterzureisen. Das Problem ist nicht der Weg, sondern die Ursache, die dazu führt, dass Menschen ihre Heimat verlassen und eine gefährliche Reise auf sich nehmen.
Nach dem Botschaftsbesuch führte uns Milan weiter durch Belgrad auf den Spuren der Partisanen und des Widerstandes. Wir blieben an Kampfplätzen, ehemaligen offiziellen Gebäuden oder Denkmälern stehen und erfuhren viel über den Ablauf der Befreiung Belgrads und den Menschen, die sich gegen das Regime stellten und kämpften.
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