ZUBETONIERTE ERINNERUNGEN
ein Artikel, erschienen in der jungen welt
Antifaschistische Studienreise: Österreichs Gedenkorte wirken zum Teil stark vernachlässigt
Von Anika Taschke
Schatten von Besuchern vor der KZ-Gedenkstätte Mauthausen
Foto: Herwig Prammer/REUTERS
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Anika Taschke ist Geschäftsführerin von »Zivilcourage vereint« e. V. sowie Vorstandsmitglied des Deutschen Mauthausen-Komitees Ost e. V.
In der KZ-Gedenkstätte Mauthausen stieß die Gruppe auf Eigenheiten, die sie im Gespräch mit der Leiterin der pädagogischen Abteilung, Gudrun Blohberger, kritisch hinterfragte. Seit April dieses Jahres sind Treppen und einige Wege innerhalb der Gedenkstätte abgesperrt. Darunter fällt auch die sogenannte Todesstiege. Errichtet wurde sie, um die Steine des unterhalb liegenden Steinbruchs in das Lager zu transportieren – getragen unter größter Anstrengung von Häftlingen des Konzentrationslagers und beschleunigt durch Peitschenhiebe der SS. Heute ist die Treppe aufgrund baulicher Maßnahmen und eines erhöhten Sicherheitsrisikos gesperrt. Ein Gedenken und Erinnern, nicht einmal ein Besehen der historischen Treppe und des Tatorts »Todesstiege« ist möglich. Eine neue Bauvorschrift sei daran schuld. Sie regele, dass nach 20 Stufen ein Podest gebaut werden muss, um Stürzende zu schützen. Eine Regelung, die uns auf der ganzen Reise nicht wieder begegnete. »Einmal mehr wird deutlich, dass Geschichte und Erinnerungen nicht selbstverständlich sind«, mahnte Gesine Lötzsch. »Wir müssen um diese kämpfen und vermeidlich kleine Verwaltungsakte hinterfragen, bevor historische Originale und Beweise verschwunden sind.«
In Gusen, einem Nebenlager von Mauthausen, steht nichts mehr. Ehemalige Häftlinge kauften dort 1961 ein Grundstück, um ein kleines Museum zu ermöglichen. Seit einigen Jahren gibt es ein Kunstprojekt, das für Besucher trotzdem den Lageralltag und das Verbrechen von Gusen I und Gusen II erfahrbar machen soll. Ein Audioweg führt durch das Dorf. Mit Kopfhörern läuft man durch die Einfamilienhaussiedlung, eine Stimme beschreibt den Weg, Zeitzeugen, Opfer, Häftlinge, aber auch Anwohner kommen so zu Wort. Erwünscht fühlt man sich zwischen den großen Grundstücken nicht. Einige Wege wurden gesperrt, die Zäune wirken besonders hoch.
Anna Hackl und Zdravko Haderlap empfingen die jungen Menschen und erzählten ihre Geschichten. Annas Mutter versteckte 1945 zwei geflohene sowjetische Häftlinge des KZ Mauthausen bis zum Ende des Krieges. Zdravkos Vater war selbst im Kärntner Widerstand und ist mit den Geschichten der Partisanen aufgewachsen. Beide wurden von diesen Erfahrungen geprägt – sie arbeiten bis heute mit jungen Menschen und erzählen aus den unterschiedlichsten Perspektiven, dass Widerstand möglich war und heute wieder nötig ist. Anna Hackl bat die Teilnehmer am Ende des Gespräches, dass solche Verbrechen nie wieder stattfinden dürfen und dass wir, die heutigen Generationen, uns täglich für eine solidarische, friedliche und tolerante Gesellschaft einsetzen mögen.
»Es zieht sich durch unsere Reise. Die rechte FPÖ setzt ihr Programm durch«, warnte Gesine Lötzsch. Von deutschen Politikern werde die Entwicklung in Österreich noch bejubelt. »Wir müssen uns dem Rechtsruck in Europa deutlich entgegenstellen«, sagte Lötzsch zum Abschluss. Seit Jahren fährt sie in Länder des antifaschistischen Widerstandes. Auch in Polen, Slowenien, Serbien oder Kroatien zeigen sich vor diesem Hintergrund deutliche Veränderungen in der Erinnerungspolitik und der Gedenkstättenarbeit.
Auf Reisen wie dieser werden Inhalte vermittelt, die im Geschichtsunterricht keinen Platz finden. Aber sie sind für das Verständnis der aktuellen Politik und der Gefahren von heute mehr als wichtig.